Granada in der Midlife-Crises

Neues aus dem Land der Ölpfützen und Kühlwassersturzbäche, wo die Bremsflüssigkeit immer fröhlich sprudelt und das sinnliche Quietschen festsitzender Bremsen die laue Frühlingsluft erfüllt...

Garfield ist durch den TÜV.
Ich weiss bis heute nicht, wie er das gemacht hat - denn normalerweise zickt und kränkelt ein Auto erst, wird dann repariert, schafft den TÜV, und läuft dann brav weiter.
Bei Garfield ist das umgekehrt - er läuft eigentlich ganz brav, dann bringt man ihn mit wenigen kleinen Arbeiten durch den TÜV, anschliessend kränkelt und zickt er. Wenn ich es nicht besser wüsste würde ich sagen, das er seine Midlife-Crises erreicht hat. Aber der Reihe nach.

Eigentlich war Garfield schon verkauft.
An einen Forumskollegen aus dem Norden der Republik, für 1500 Euronen mit auslaufendem TÜV.
Doch dann war da wieder eine dieser persönlichen sportlichen Herausforderungen, der innere Schrauberschweinehund, und schon sollte alles anders kommen.
Ich wollte mir in Bielefeld eigentlich nur Granada-Kleinkram im Granni-Center besorgen, und mir die dort zum Verkauf stehenden Scorpios anschauen (...mich gruselts immer noch...Scorpio *FingerindenHalssteck*), bis ich in unserem Gespräch meinen zu rappeln beginnenden Auspuff erwähnte.
"Wir könnnen ja mal sehn, was er hat - fahr ihn mal auf die Bühne..."
Ursache: Ein praktisch nicht mehr existentes vorderes Rohr an einer praktisch kaum noch existenten Endpottvorderseite. Wirkung: 2-CV-rappeln und V-10-Viper-Sound.

Kein Drama, Pott war neu zur Hand, schön neu und schön rostfrei.

"Ich gehe jede Wette ein, das der den TÜV auf Anhieb schafft, der sieht von unten ja noch richtig klasse aus...den TÜV hätte ich ja heute im Hause...zur Not machen wir halt alles erforderliche gleich an Ort und Stelle."
Klang ziemlich gut. 1500 Euronen ohne TÜV für ein Auto, für das ich ein WGA von 2300,- Euro habe...warum sollte ich nicht versuchen, den Verkaufswert zu steigern? Und Garfield steht ja gut im Futter "...ach lass es uns einfach probieren!"
Der Endtopf samt Rohr war schnell gewechselt (er war ja eh überfällig gewesen), Diff war trocken, schnell noch Bremsleitungen und Handbremsseil einfetten.
"Guck mal, die Vorderachsgummis..."
"Welche denn?"
"Eben."
Die Reste der Fahrwerksgummis bröselten uns müde entgegen.
"Habe ich auch neu da. Weiter im Text."

Das es unter dem Auto zu tropfen begann, war bisher keinem von uns aufgefallen.
"Wo kommt denn die Suppe auf einmal her?"
Kurzer Fingergeschmackstest. "Glukose...das ist Kühlwasser. Wen wunderts, wenn da alle Verlötungen aufgehen? Guck mal hier..."
Also: Kühler raus, AT-Kühler rein. Motor laufen lassen, alles dicht. AMEN.
"Guck mal, das wackelt wie ein Lämmerschwanz, und wie das klackert...mannomann".
Die Radlager VA hatten mehr als nur einige Fingerbreit spiel, rechts noch mehr als links.
Während des Lagerwechsels (wenn schon neu, dann richtig!) verarztete ich schon allen nicht allzu bedrohlichen Kantenrost, hinten rechts flog endlich die durchgegammelte Endspitze raus, das Schweissgerät begann zu knarzen.
Die letzte Schraube war noch nicht festgezogen, da kreuzte schon der Prüfer auf.

"Na, das nenn ich mal nen schönen Granada. Ich werf gleich mal nen Blick drunter, jetzt wo der schon mal aufgebockt ist. TÜV-Patient?"
"Yep".
Er zog Schraubendreher und Diodenlampe aus der Tasche und ging auf Wanderschaft.
"Mann ey, der hat ja garnix! Bissken Öl am Motor, dat haben se alle. Aber sonst? Sogar die Wagenheberaufnahmen sehen wie neu aus, da ist ja nicht mal Dreck drin!"
"Und dabei hat der den Wagen durch diesen Winter gefahren..."

"Kollege, ein guter Tip: tue den bloss nicht weg...(*schluck*)...beiss in den sauren Apfel, zahl lieber noch zwei, drei mal die scheiss Steuer, und dann haste nen feinen Alltagsklassiker. Der ist echt toll von unten - alle meine Leiblingsstellen sind 1a... (*nochmalschluck*)...den bekommst Du so nie wieder.
Ein problemloseres Auto kannst Du heute sowieso nicht mehr kaufen, was meinst Du, was ich täglich bei den Prüfungen an elektronischen Dramen erlebe?"
"Naja, eigentlich wollte ich ihn ja verkaufen..." Der Kloss aus meinem Hals wollte einfach nicht verschwinden.
"Okay, das wäre schon echt schade, aber dann bitte auch keinen Fall unter 2. Setze ihn mit 2.6 oder 2.7 an, und dann runterhandeln lassen. Drunter auf keinen Fall !"
Klare Ansage.
Der Rest der Prüfung war n klacks, Licht, Elektrik, Karosse...alles einwandfrei.
Bremstest.
"Super, fast Traumwerte hinten, aber vorne sind die Klötze an der Verschleissgrenze, die müssten dann bitte noch raus..."
"WAAS?! Wie bitte? Die Dinger sind nicht mal 1 Jahr alt!"
Die Erklärung war schnell gefunden:
PitStop verbaut wirklich minderwertig nachgebauten Polenschrott, denn dort hatte ich sie geholt. Und nun hatte ich die Gelegenheit, mir das von einem TÜV-Prüfer ausgiebig erklären zu lassen.
Die neuen Beläge waren eine leichte Fingerübung, und um 14:12 gabs dann die ersehnte Plakette 03/08.

Uff.
Für die Verabschiedung hatte ich ein wenig mehr Zeit, denn neben den 52 Euronen TÜVgebühr fiel ja so einiges an Materialwert an.

Auf dem Weg zum Auto meinte Florian: "Du, die falsche Reifengrösse hat er übrigens auch gesehen- gut das Du Dich so nett verabschiedet hast..."
"Hat er was gesagt?"
"Nur, das ihm das Auto so gut gefallen hat..."

Doch jetzt sollte der Spass erst losgehen...
gleich in Teil 2...

Teil 2
Ein Granadafahrer am Rande des Nervenzusammenbruchs...

Ich war keine 15 Minuten auf der Autobahn, da fing die Vorderachse tierisch zu beben an - das Lenkrad schlug, das ganze Auto zitterte.
Mit 90 kroch ich nach Hause, fest in dem Glauben, die neuen Achsgummis müssten sich vielleicht erst setzen. Und erst als ich zuhause ins Stadtgebiet kam und verstärkt bremsen musste, fiel mir die ungleich ziehende Bremse auf.
Am nächsten Morgen eine argwöhnische Betrachtung - alles trocken, noch alles dran.
Einsteigen. Motor an.
Der Wagen lief sauber, blubberte (viel zu leise) vor sich hin.
Mhhhh...Probefahrt, los gehts.
Der Wagen lief sauber und ruhig, einfach prima. "Na siehste, mein Dicker, ich wusste doch, das wird wieder alles gu..."
*wwiewiewiwwiewiewiewiewiewiewiewhhhhhhhh*
Nach nicht mal 15 Minuten begann plötzlich ein begleitendes Dauerquietschen, offensichtlich lief die Bremse etwas mit. Kurzer Bremsentest.
*KRIIIIEEEETTSCH*
Vorne rechts schrie es aus dem Radkasten, als hätte jemand eine Flex angesetzt, Passanten sprangen erschrocken zur Seite.
Das wurde jetzt zu peinlich. Angesäuert fuhr ich nach Hause zurück, stellte Garfield ab und rührte ihn den restlichen Tag auch nicht mehr an, verkroch mich stattdessen in mein "Jetzt-mach-ichs-mir-selbst"-Buch.

Die Fahrt zur Arbeit am nächsten Morgen war nur für mich schlimm, da ich um 04.30 Schichtbeginn habe, wo noch keine Sau unterwegs, aber es trotzdem nur schwer zu überhören ist, wenn das eigene Auto Geräusche produziert, die man nur aus Alienfilmen kennt.
15.30 Feierabend
16.00 Termin bei ATU Essen - Achsvermessung.

Der Monteur verzog die Miene, als er den wild herumquietschenden Garfield in die Halle reinfahren musste, viele mitleidige Blicke trafen meinen Rücken. Egal, da musste ich jetzt durch.
"Du Günther, komm mal, ich kann die Einstelldaten für dieses Granadadings nicht finden..."
Auf dem Display des Achsvermess-KnightRider-Mega-hyper-Pieps-Laser-Atom-Kernspin-apparats flackerte unter den Baujahren 78/79 "Cortina-Taunus-Capri-Transit" auf, das wars.
"Probieren Sie es mal mit 1977".
Das gleiche Ergebnis..."Cortina-Taunus-Capri-Transit".

"Ist das vielleicht nicht doch ein "Cortina-Taunus-Capri-Transit"?"
"Hä? War das jetzt Ihr Ernst? Das ist n GRA-NA-DA."
"Wirklich kein "Cortina-Taunus-Capri-Transit"?"

Jawoll, ich war an richtige Experten geraten.
72 Minuten, zwei weitere Monteure und etliche gelöste Schrauben später ("Da brauche ich ja richtig grosses Werkzeug zu...!" ) kamen wir zur Erkenntnis, das die Achse prima eingestellt war, alle Gummis tiptop saßen und man mal ein neues Buch mit Einstelldaten bestellen müsse, denn nach 20 Minuten Suche hatte man auch ein Buch gefunden, wo zwar die Einstelldaten des Granada, nicht mehr aber alle Seiten vorhanden waren.
Gegen 18:40 und einer dreistellig gezahlten Summe fuhr ich entnervt vom Platz, untermalt von einem fröhlichen *Wiewiewiewiewiewiehhwiewiehhhhwieiweiweischrscrwieiei*
Dienstag.
Die Fahrt zur Frühschicht untermalt von einem Geräuschpegel, als wenn man eine laufende Motorsäge in die Triebwerke einer startenden Concorde wirft...auf der Arbeit dann verdonnerte ich dann einen Kollegen zum Zwangsdienst, verkroch mich auf den Parkplatz und machte die Beläge selber raus. Alles freigängig, alles ok. Nur tierisch verstaubt. Verdammt nochmal.
Warum läuft eine Bremse erst 15 Minuten 1a und leise, und krakeehlt dann rum wie Michelle auf dem Schlager-GrandPrix?
15:30 Feierabend.
Rückfahrt. *WiehWieWieWiehhhhquietschquietsch*

Per Zufall fiel mir das Hinweisschild eines kleinen Ein-Mann-Werkstattbetriebs auf, den ich dann auch gleich hilfesuchend ansteuerte und der den Granada auch sofort als solchen erkannte.
Er bot mir ne Tasse Kaffee an, erzählte mir von seiner grade 2 Stunden entfernten Zahn-OP und begann, die Bremsflüssigkeit zu wechseln und die einzelnen Räder zu überprüfen. Ich erzählte ihm von der Tortur der vergangenen Tage, plötzlich wurde der alte Mann sehr still. Nach 10 Munuten emsiger Arbeit war das Rätsel gelöst.
"Da kann ja auch nichts mehr funktionieren.
Die vorderen Bremsen laufen nur sauber frei, sobald ich oben Druck gebe, der unten wieder rauskann, sonst laufen beide Seiten ständig mit, rechts noch stärker als links. Hinten links läuft und bremst das Rad einwandfrei, hinten rechts kommt überhaupt keine Bremsflüssigkeit mehr an das Rad. Dann zieht er beim Bremsen schief und vorne rechts ist die Belastung natürlich immens hoch. Das wird mit ziemlicher Sicherheit der Hauptbremszylinder und evtl auch der Bremsdruckregulator sein, der platt ist, und der Schlauch hinten rechts sitzt zu."
Betretende Stille.
"Besorg den Kram, ich bau ihn Dir dann ein, ist keine grosse Sache. Diese Autos waren einfach und gut."

Ich versprach ihm, nicht mehr allzu viel herumzufahren, zahlte den gewünschten Obulus von lächerlichen 10 (!) Euronen in die Kaffeekasse ("Ich hab doch noch garnichts gemacht..." ) und kroch nach Hause - wo ich dann die grosse Kühlwasserpfütze vom Morgen vorfand.
Es ist unglaublich entmutigend zu sehen, wie Wasser unsichtbar aus einem trockenen Motor tropft.

Mittlerweile sieht es so aus:
Die Leckage habe ich mit einem engliches Dichtmittel weg bekommen, der Motor ist sauber und trocken - warum auch immer. Den Bremsenkram habe ich fast komplett zusammen (und das war nun echt nicht einfach!!), und dann wird alles ausgetauscht, was bisher noch nicht getauscht worden ist.

Und wenn das auch nichts hilft, versenke ich die Karre im Rhein-Herne-Kanal.

So. Soviel vom Taunus.de-Pressebeauftragten.

Das Geld, das ich da reingepumpt habe, kriege ich doch nie wieder aus...
Den werde ich fahren müssen, bis ich 140 bin... :O

Der geht nur noch weg, wenn den wirklich jemand haben will, ich werde ihn von mir aus nicht mehr feilbieten...

Ich schwörs...

...so wie sich die Karre manchmal benimmt...diese Karre MUSS einfach ne Seele haben.
Das ist rationell jedenfalls nicht zu erklären...

Eddylein, Schatzimaus, zwischen uns beiden gibt es aber einen Unterschied:
Zum einen wollte ich nie aus leidenschaft einen Granni II kaufen; meiner fiel mir in den Schoss und wäre sonst verschrottet worden - und das wollte ich verhindern. Das ich ihn nicht schon früher hergegeben habe, liegt daran, dass ich das Cruisen mit ihm so mochte.
Zum anderen ist meiner noch nicht H-tauglich, was den täglichen Umgang mit ihm echt erleichtern würde. Der Granni II hat zudem kein Design, das mich vom Stuhl reisst, ich hätte lieber was rundes a la Knudsen oder Granni I gehabt, was es damals zum Zeitpunkt von Garfields Kauf nicht auf dem Markt gab.
Und nun investiere ich Traumautofinanzen in einen Wagen, der für mich kein Traumauto ist - ich wollte ihn nur erhalten, damit wenigstens EINER von den Zweiern überlebt.
Das hört sich sicherlich etwas schizophren an...bei nem aus dem Herzen gekauften Modell hätten einige Investitionen garantiert nicht so weh getan.
Und je länger ich ihn habe, umso schwerer wird es, dieses eckige Dingen wieder loszuwerden...

Das sind schon echte Probleme, was? :O

Naja...wer würde diesen Consul denn nicht lieben?

Als ein Mensch, der sehr viel Wert auf Optik legt, gibts für das Auge auch erheblich mehr an einem Granni/Consul I oder Knudsen zu erkunden, als an einem IIer-Granni...und der wird optisch dann einfach irgendwann langweilig.
Vermutlich ist der Zweier genau deswegen so früh ausgestorben (wenn man jetzt vom Rost mal absieht...)