Ford Granada 2.8i Ghia Turnier im Fahrbericht - Die Lust an der Last

  • Ford Granada 2.8i Ghia Turnier im Fahrbericht
    Die Lust an der Last
    17. Mai 2013


    Der Kombi kommt aus Amerika. Opel und Ford hatten ihn als Erste im Programm. Ford nennt seine Kombis seit der Badewanne Turnier. Der Ford Granada war der größte, als 2.8i Ghia gibt er den Luxusliner für Genießer.


    Ein Kombi für Genießer. Das Topmodell mit dem Topmotor, ein Name wie ein Adelstitel. Granada Ghia Turnier. Das klingt so warm und herrlich wie Spanien und Italien zusammen, andalusische Vollblüter und ein Turiner Haute Couture-Karossier schaffen in der Phantasie eine zauberhafte Illusion. Dabei ist es nur ein Ford. Aber Ford hat nicht immer nur streberhafte Vernunftautos wie Focus und Mondeo gebaut. Und Ghia war weit mehr als nur eine bessere Stoffqualität, denken wir nur an das hoch emotionale Avantgarde-Design eines Maserati Ghibli.


    Ford hatte sich beim Granada mit den gekrönten Wappen an den Kotflügeln richtig gehen lassen, mit Plüsch, Holz und allerlei Servo nur so um sich geworfen. Vollausstattung serienmäßig, das war die Kölner Strategie, um das Image-Manko zu kompensieren. Die Leistung kam aus dem Hubraum, sechs Zylinder statt zwei Nockenwellen und vier Ventile, satt eingeschenkte 2,8 Liter, 150 PS lässig aus der Tiefe des Raumes geschüttelt, statt mühsam aus der Drehzahl gequetscht. Leise, souverän - der amerikanische Weg, aber mit V6-Konstellation statt V8-Power-Pack, also doch noch eine Spur Vernunft, dem Verbrauch zuliebe.


    Hubraum und Dreigangautomatik steigern den Grundumsatz locker auf 13 Liter, da ist die Bosch K-Jetronic nur ein wohl dosierendes Feigenblatt der Ökonomie. Der Ford-Grauguss-V6 ist thermodynamisch ungünstig. Vielleicht liegt es an der Brennraumform, andererseits läuft er dank harmonischer Zündfolge und optimalem Hubzapfenversatz so leise und geschmeidig wie ein Reihenmotor.


    Selbst hohe Drehzahlen über 5.000/min gehen dem V6 noch ziemlich unangestrengt von der Kurbelwelle, doch sein Wohlfühlbereich liegt so um Viertausend, da liegt auch sein höchstes Drehmoment von rund 220 Newtonmeter. Besitzer Ulf Schlotterbeck liebt die sanfte Art seines stratosilbernen Straßenkreuzers. "Man muss nicht schnell fahren, zügig rollen reicht. Bei Tempo 120 genügt sogar die Dreigangautomatik, die das Drehzahlniveau sonst unnötig steigern würde. Mir gefällt der Blick vom breiten Sessel auf die riesige Motorhaube und die Lässigkeit des großen Wagens, die sich auf den Fahrer überträgt. Mein 2.8i fährt sich maximal anders als die modernen Autos, und das genieße ich."


    Ulf fand den Vollfettstufen-Ford vor ein paar Monaten in der Schweiz. Wo sonst wird gerne alles rauf und runter bestellt, was die Preisliste hergibt? Sogar die Dachreling des Turnier-Sondermodells Chasseur krönt die füllige Figur des Fullsize-Kombis, der um ein Haar mehr Laderaum hätte als der 700er-Volvo, wenn Schräglenkerachse, Tank und Reserverad in der Höhe nicht so viel Platz beanspruchen würden.


    Doch der Ford ist nicht nur schiere Masse, sondern auch konstruktive Klasse. Der mit viel Feingefühl weiterentwickelte Uraltmotor zeigt bis auf den Verbrauch keine Schwächen. Das aufwendige, sauber abgestimmte Fahrwerk mit Doppelquerlenkern vorn, Schräglenkern hinten, Gasdruckdämpfern und TRX-Reifen fuhr in Sachen Komfort und Straßenlage ganz vorne mit. Der Ford mag ein wenig kaleschig aussehen, er fährt sich aber straff und lenkt sich angenehm direkt.


    Ulf hat das richtige Format für den Luxusliner von Ford. Er mag feine mediterrane Küche, guten Rotwein aus dem Friaul. Beide sind eher Genießer als Asketen. Nur allzu gern ist der Wahl-Tübinger mit seinem automobilen Alter Ego unterwegs. Hedonisten unter sich, auch zum Einkaufen bei Olio, Pane e Vino - ein alte Tankstelle in der Westbahnhofstraße, die Feinschmecker mit allen Köstlichkeiten einer Mailänder Markthalle verführt.
    Aber die paar Flaschen und Kisten reichen nicht, den Wagen in die Knie zu zwingen. An der Hinterachse gibt es zusätzliche Boge Nivomat-Stoßdämpfer. Eine simple Niveauregulierung, die man an der Tankstelle aufpumpen kann, das altmodische Manometer links unter dem Lenkrad kündet davon.


    Knapp 100.000 Kilometer hat der 83er Granada Ghia auf dem Zähler, wenn der Motor kalt ist, klickern die Ventile ein wenig. Ulf will ihm demnächst eine große Inspektion und ein paar kleine Schönheitsreparaturen gönnen. Denn er weiß, ein Granada Turnier in Vollausstattung ist seltener als ein Flügeltürer.
    Der Ford Granada 2.8i in auto motor und sport Ausgabe 7/1978


    Ganz erheblichen Anteil am komfortablen Limousinen-Charakter des Ford Granada Turnier hat der 2,8-Liter-Einspritz-Motor. Der kraftvolle Sechszylinder sorgt nicht nur für respektable Fahrleistungen, sondern auch für einen leisen Lauf. Eine reizvolle Ergänzung findet der luxuriös karossierte und komfortable angetriebene Kombi in einem Fahrwerk, das selbst manchem Sportwagen gut zu Gesicht stünde. Die neuartigen Michelin TRX-Pneus wecken wohl noch Reserven.


    Der Ford Granada schöpft gern aus dem Vollen - ob Hubraum, Laderaum oder Tank.


    Ulf Schlotterbeck liebt seinen Turnier, der Wagen verkörpert sein Alter Ego.


    Bewährter V6-Graugussklotz mit aufgesetztem Luftsammler für die K-Jetronic.


    Granada De Luxe. Ein Ghia in vollem Ornat mit Fernscheinwerfern und Reling.


    Die Heckpartie stammt bis auf die Stoßstange noch vom 72er Granada-Urmodell.


    Edle Velourspolster, reichlich Holzfurnier, Mittelarmlehne und Automatik. Alles drin.


    Der Luxus-Kombi von Ford schöpft gern aus dem Vollen. Er ist ein Hedonist.


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