Weil es schon spät war, als heute die Sonne rauskam, war ich mal an einem anderen See, der näher liegt und keinen Eintritt kostet. Zwar muss man dort mit Kleidungsstücken ins Wasser steigen - eine Idee, die mir überaus fremdartig und suspekt erscheint - aber das Budget bedarf der Schonung.
Schon der See selbst ist ein wahres Kleinod der Merkwürdigkeiten. Er liegt in einem städtischen Park, und gleich wenn man rein kommt informiert ein wahrer Schilderwald darüber, dass das Baden ebenso strikt untersagt ist wie das Grillen und Hunde nur an der Leine Zutritt haben.
Gleich neben dem Schilderwald wacht eine DLRG-Station über das Wohl der offiziell nicht existenten Schwimmer, zur blauen Stunde verbreitet der über der Szenerie schwebende Grillrauch kulinarische Endzeitstimmung, und Hunde sieht man nie anders als frei und glücklich herumtollend.
Ich latsch also über die Wiese und installiere mich zwischen einer Gruppe bedrohlich aussehender, stark tätowierter Jugendlicher und einer osteuropäisch (ich tippe auf russisch) klingenden Großfamilie mit Unmengen Decken und Kühlboxen nebst einem aufblasbaren Planschbecken für die Kleinsten.
Die Tätowierten rauchen Pfeife mit Vanilletabak, fotografieren sich gegenseitig mit winke-winke und paddeln mit einem Gummiboot auf den See hinaus. Der Clanchef der Russen, zeitlos elegant angetan mit blauer Trainingshose und Arbeitsschuhen, taucht von Zeit zu Zeit wie ein Flaschengeist aus einer undurchsichtig dichten Rauchwolke auf und verteilt Köstlichkeiten vom Grill an Familie und Nachbarn. Schade, dass ich mein Handtuch nicht etwas näher ausgebreitet hatte, dann hätte ich sicher auch was bekommen - es roch nämlich verdammt lecker.
Dann erscheint ein korpulenter weißhaariger Herr in Begleitung eines süßen, vielleicht vier-oder fünfjährigen Jungen mit negroidem Einschlag, den er in unangenehmem Ton herumkommandiert. Das Kind scheint aber abgehärtet, lässt den Alten mosern und amüsiert sich zwischen Wiese und Wasser trefflich mit einem Basketball. Dies lockt einen weiteren Jungen im Babyalter an, der gerade das Laufen perfektioniert und die besorgte Mutter (in Straßenkleidung und hohen Schuhen!) an den Rand der Erschöpfung treibt.
Das Baby schnappt sich sofort den Ball und stürmt damit Richtung Wasser. Ein paar Meter davor schmeißt es den Ball vor sich hin und rennt weiter hinterher. Von der Seite schnauft die Mutter heran und stoppt den Ball gekonnt mit dem Fuss. Das Baby kann natürlich nicht mehr bremsen, macht nen zweifachen Salto vorwärts über den Ball und landet fast im Wasser. Genial - Ball vor dem Ertrinken gerettet, Baby ums Haar versenkt
Manchmal gibt es Tage, da liebe ich Deutscheland.
Und das Sahnehäubchen: Als ich wieder zum Parkplatz komme, steht dort ein Autotransporter mit laufendem Motor. Ouha denk ich, die werden doch sicher nicht anfangen hier abzuschleppen. Aber nein, die Aufmerksamkeit gilt allein einer silbrig schimmernden Scheußlichkeit, die am ehesten einem zu heiß gewaschenen SUV ähnelt und gerade Herrchens samstägliche Erholung zunichte macht.
Während die Helfer sich vergeblich um Reanimation bemühen, schlendere ich zu meinem 46jährigen Schlachtross, das natürlich wie immer sofort anspringt, und blubbere selig grinsend davon.
Ein perfekter Nachmittag